Hans Söllners neues Album: Ungespitzt in den Boden

von Christian Jooß

Im September diesen Jahres hat er sich mit dem Fahrrad überschlagen – knapp einen Monat später stand Hans Söllner schon wieder auf der Bühne.

„Zuastand 2“ – Hans Söllner hat zum zweiten Mal alte Songs so neu aufgenommen, dass sie eine erstaunlich frische Schlagkraft entwickeln.

Lieb, diese zwei unverbildeten Mädchenstimmen, die im Refrain des ersten Songs dieser Platte singen: „Steh auf, wenn dir irgendwas ned passt.“ So süß und positiv, wie man sich in diesem Alter noch um diese Welt sorgt. Dann läuft etwas schief. Mit der Welt und dem Text. Wieder heben die Mädchen an. Recht lustig: „Aber na, bleib hocka, bleib hocka auf dem fetten Arsch. Du fette Sau…“

„Zuastand 2“ heißt das neue Album von Hans Söllner. Nach „Mei Zuastand“ ist es die zweite Auferstehung von Liedern aus dem Repertoire des Bavarian-Folk-Sängers. Wie beim ersten Wurf ist es ein neu ausgerichteter Söllner-Klang. In zwei Sessions hat er die Lieder allein im Studio eingespielt. Dann begann die Arbeit der Band um Peter Pichler.

Aus produktionstechnischer Sicht würde man auf Anhieb niemand dazu raten. Im Einspielen der ersten und wichtigsten Spur mitzudenken, wie das im Gesamten einmal sein wird – ein Wahnsinn. Es ist das metaphysische Geheimnis dieser Aufnahme, wie der einsame Söllner in vorausahnender Präzision den anderen Musikern ihre Atemluft zufächelt.

Im Unterschied zum ersten Zuastand, der teils in die Schwärze der Melancholie tanzte, steht hier Söllner auf und holt mit einer Wucht aus, die bürokratische Vertreter der Ordnungsmacht ungespitzt in den Boden rammt. Eine Zither, als würde sie im Loop laufen, ein Country-Walking-Bass: „Mi schatt da Scheriff“. Es ist die bayerische Version eines Cop-Killer-Songs, kapitalverbrecherisch komisch.

Wie an einem Morgen so um sieben ein Herr vom Revier vor seiner Türe steht, erzählt der Sänger, wie der Knüppel anfängt zu tanzen, wie da plötzlich ein Revolver ist. Man hört ihn das zu Protokoll geben, absurd naiv die Silben dehnen, mit der bluthochdruckerzeugenden Art eines Bayern, der sich deppert stellt.

In „Mama ziag dei Schürz’n aus“ tutet eine Okarina, während Söllner die Blöden in Uniform auf seine Art so vorführt, dass sie auch in Zukunft in Zivil gerne seine Konzerte besuchen werden. „Oana von uns arbeit ned für die Polizei“ als anschließendes Reggae-Mantra. Die neue „Zuastand“ hat mit Zither, Hackbrett, Tuba und Kontrabass eine hübsch bayerische Schlagseite. Und weil man nicht nur bei „Drahdiaweng“ schon nah am Kraudn Sepp ist, kann man auch gleich so spaßig vom Vögeln singen, dass man in Bayern mal dringend eine Gesetzesinitiative für einen Parental-Advisory-Sticker anmahnen möchte.

Nicht, dass noch wer verdorben wird. Wobei, die fehlgeleiteten Existenzen, die „saufen wie die Löcher“, die die „Hascher aufmischen“ und ein paar Asylanten zünftig zamfahren, die stellt der wunderbar gelaunte Söllner in „Mir san nu so richtige Bayern“ vor. Da schunkelt das Festzelt vor Gaudi.

Großartig die Neuauflage eines der größten deutschsprachigen Protestsongs: „Hey Staat!“ Die Söllnersche Kräuterentspanntheit wird zum Ausdruck einer grundsätzlichen übernächtigten Müdigkeit, die einen befällt, der seit Jahren aufrecht unter gekrümmten Rücken steht. Was diesen Erzähler in Bayern hält? In der amerikanische Weite umfassenden E-Gitarre von „Ein Schritt hintre“, die eine andere Art der Heimat ist, kann man das hören. In der worttanzenden Stimme in „Universum“. Dieser Volksdichter ist seine eigene Regierung.