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Kategorie: Presse (Seite 3 von 4)

CD-Kritik „Oiwei I“, Musikexpress, März 2004

„Oiwei I“ im MUSIKEXPRESS März 2004:

Reggae als Haltung trifft bayerische Bodenständigkeit

Seit beinahe einem Vierteljahrhundert zieht Hans Söllner mit seinen widerspenstigen Liederen durch Stadthallen und Jugendzentren – und fast ebenso lang schon muss er einen Teil seines Gehalts an den Staat abgeben. Als Bußgeld für Polizisten- und Politikerbeleidigungen. Dass das Phänomen Hans Söllner sich aber keinesfalls auf die Rolle des ewigen Rebellen reduzieren lässt, das zeigt einmal mehr sein neues Album OIWEI I. Das Cover zeigt die Großeltern des Bad Reichenhaller Liedermachers- und auf angenehm- unaufdringliche Weise scheinen auch die neuen Lieder ein archaisches Selbstfindungsritual zu reflektieren. Söllner hat die letzten zwei Jahre eigenen Angaben nach eine Lebenskrise durchgemacht, die ihn darauf vorbereitete, nicht länger die Konfrontation mit den Obrigkeiten zum Hauptquell seiner Künstler-ldentität zu machen. Stattdessen geht er in sich und konfrontiert die Hörer mit mutig-traurigen Songs über die ersten, vor allem aber letzten Dinge. Wie etwa ein Nachruf auf einen zu früh gestorbenen Freund, eine sehnsüchtige Beschwörung vom „Paradies“ und der Liebe als gesellschaftlich heilende Kraft. Am anrührendsten aber bleiben Söllners Worte, wenn er als ein Unangepasster und unter den Verhältnissen Leidender eine Hoffnung bemüht, die jenseits von vordergründigen Siegen liegt: „I bin ned aloa, weil der Wind und der Schnee und die Wiesen und der Baum und die Bladl san auch noch da…“ Rasta-Überzeugung trifft bayerische Bodenständigkeit. So wie Reggae hier nicht so sehr als Genre-Bezeichnung zutrifft denn als Haltung. „Sufferers Music“ eben. Söllners Band Bayaman Sissdem begleitet den Sänger rein akustisch, nicht zuletzt das Akkordeon von Peter Pichler verleiht den mancjmal nach Cajun, manchmal nach Folk oder, ja auch, Reggae schmeckenden Akkordfolgen einen wohltuenden Swing. Kontrapunktische Leichtigkeit. Und wenn Söllner Sätze dazu aus seiner Brust schleudert, die oft schon schmerzlich ungekünstelt wirken – dann hat hierzulande niemand den Geist Bob Marley besser begriffen als der kleine Mann aus Bad Reichenhall.

Jonathan Fischer

CD-Kritik „Oiwei I“, Süddeutsche Zeitung, 09.02.04

DIE NEUE CD & DVD ERSCHEINEN AM 9. FEBRUAR 2004

Die neue CD »Oiwei I« (»Immer Ich«) von Hans Söllner & Bayaman´Sissdem ist ab dem 9.2.04 in allen vernünftigen Läden zu haben!

Dreizehn neue Songs, an einem Nachmittag im letzten September, mit seiner neuen „Bayaman`Sissdem“, mit der er in den letzten Monaten bereits getourt ist, »LIVE« in den Highberg Studios eingespielt:» A Drecksau is a Drecksau (Real Media) – Hoffnung (Real Media) – Dad I liang – Josefina Marie – Krautmo – Mei guada Freind – Freiheit – Ned Aloa – Paradies – Saalach – Oiwei I (mp3) – I sig a grea – Do hob i`s troffa «

 

 

Süddeutsche Zeitung / 09.02.2004

Hans Söllner Oiwei I (Trikont 0321)

Er jault und flüstert – schreit und schimpft – spricht und erzählt – lacht und grinst….

Eindringlich, genau, unerbittlich, schnell und rhythmisch.

 

Seit 20 Jahren erspielt sich Hans Söllner ein eigenes, riesiges Publikum mit steigender Tendenz und gegen alle Regeln des Geschäfts. Man muss es erleben, wie er – der ansonsten

Verfehmte und Totgeschwiegene – auf grossen Festivals von  25Tausend Leuten als Hauptact gefeiert wird. Und die ihm, dem 49jährigen da zujubeln sind immer noch zwischen 15 und 25, ohne dass sie ihn verlassen, wenn sie älter werden. Ein „Phänomen“, das es in Deutschland kaum gibt, wir kennen sonst eine solche Einheit von Existentiellem und Populärkunst eher aus der Ferne. Er lässt die Leute teilnehmen an den Wegen seiner Person und macht das zu einer Kunst, in der sie sich wieder finden, an der sie sich reiben können. Hans Söllner spielt keine Rolle, er ist sie, lebt in ihr, zeigt Haltung. Er folgt sich selbst, statt Wege zu weisen; unterwirft sich seinen eigenen Gedanken und Gefühlen, statt etwas heraufzubeschwören oder zu lehren.  Er gehört zu den Typen, die wie Einsiedler wirken aber den Menschen lieben und ihn nie einem System unterordnen würden. Daher ihre widersprüchliche, unberechenbare Popularität.

Und diese Beliebtheit bei den Leuten macht die im Übrigen mit Ausschließen befassten Apparate zunehmend williger, Söllner zu präsentieren. Er wird als Zugpferd geholt für Festivals, im Fernsehen sieht man zum wiederholten Male 45minütige Live-Mitschnitte und im Frühjahr soll es eine Dokumentation über ihn im Kino geben.

Söllner ist der Heroe eines rauen, gesellschaftlichen Untergrunds im deutschsprachigen Süden, von dem der feinere „Underground“ gerne auch etwas unter den Füssen hätte. Mit Stimme, Gitarre, verblüffender keltischer Erzählkunst, wurde Söllner zum Idol für 100Tausende. Gerade weil dieWelt der Medien,  von Geld und Macht und der feinen Gesellschaft ihn ignoriert und bekämpft.  Aus solchen emotionalen Energien, aus Direktheit im Zugreifen, Freiheitssehnsucht, Sozialkitsch, politischem Weltschmerz und privatem Drang entsteht Popmusik, die trifft.

Irgendwo zwischen Bob Dylan, Johnny Cash, Kurt Cobain und einem bayrischen Wilderer treibt Söllner sein Wesen. Ein schlagfertiges Bündel Wut mit Gitarre, mit seinem starken Gerechtigkeitsgefühl und einer sich immer mehr auslebenden  instinktiven Musikalität.

Der beste Beweis dafür ist seine aktuelle CD mit einer excellenten, neu formierten Band „Bayaman´Sissdem“: „Owei I“. Auch diesmal schleudert er wieder Grobheiten mit hohem Wiedererkennungswert heraus. Er kennt den Druck und den Dreck einer Existenz, in der Menschen zu Insassen einer Weltordnung gemacht werden oder sich selber machen, zur Genüge – ohne jedes Ghetto-Getue. Er hat sich selbst aus diesem Loch herausgebuddelt mit Worten und Stimme und auf der Bühne. Und deshalb ist bei ihm die andere Seite, Hoffnung,  Zärtlichkeit und Liebe immer stärker als die Wut.

Buchkritik „Bloß a Gschicht“ in der Süddeutschen

SZ MÜNCHEN ZU HANS SÖLLNERs BUCH „BLOß A GSCHICHT“

Mehr als ein privates Dokument

Hans Söllner schreibt ein Buch auf Bayerisch, und Franz Dobler übersetzt es ins Deutsche

Angefangen hatte es mit einem Handel, einem „Deal“, wie Hans Söllner sagt: Er war bei Arbeiten an seinem Haus in Bad Reichenhall von der Leiter gestürzt und gerade noch mal mit dem Leben davongekommen. Der Gerettete beschloss, sich dem „Universum und allen seinen Kreaturen“ gegenüber dankbar zu erweisen. Auf den Alkohol hatte er schon lange verzichtet. Künftig würde er auch kein Fleisch mehr essen. Eine Opfer-Geste, die mehr vom spirituellen Menschen Hans Söllner preisgibt als seine derben Songs oder auch sein Dauer-Clinch mit der Justiz.
Und der Auslöser für ein Buch: „Bloß a Gschicht“. Schon mit seinen letzten Al-ben hatte der Sänger die Protest-Rhetorik weitgehend hinter sich gelassen, kreiste sein Blick stattdessen um die ersten und letzten Dinge, Geburt, Tod und dem bisschen Widerstand dazwischen. Doch nun kamen zu dem Unfall weitere Erschütterungen hinzu: Söllner, der auf Jamaika die Nähe der Rastafaris gesucht hatte und vor Publikum gern provokante Geschichten von „afrikanischen Köni-gen“ zum Besten gab, musste feststellen, dass sich gewisse Formen von Rassismus nicht allein mit gutem Willen brechen lie-ßen. Dass er nie wirklich als „Bruder“ gesehen werden würde – und Jamaika also auch nicht mehr Hoffnung bot als Gie-sing oder Bad Reichenhall. Aus dieser Ernüchterung heraus ging er in Klausur. Erzählte sich fünf Tage lang die Seele leer.Schrieb, weinte und schrieb weiter. „Ich wollte einfach Abschied nehmen: Mich lossagen von falschem Idealismus, altem Zorn den Eltern gegenüber, all den nachtragenden Gefühlen, die das Leben so leicht vergiften können“.
Am Ende waren gut 30 Din-A-4-Sei-ten beschrieben. Söllner holte sie immer dann aus der Schublade, wenn er den Kopf mal wieder frei kriegen wollte, von staatlich angestrengten Beleidigungs-Prozessen wie auch den messianischen Heilserwartungen seiner Hörer. Und doch ist „Bloß a Gschicht“ mehr als ein privates Dokument. Als Söllners Verleger Achim Bergmann die Geschichte in die Hand fiel, bestand er darauf, sie den Fans zugänglich zu machen — zumindest auf Konzerten und per Mail-Order (www.trikont.de).
Da ist die Kuh, die voller Vorahnungen den Tag erlebt, an dem sie der Schlachter aus dem Stall und der Sicher-heit der heimischen Herde herausholt. Mag sein, dass sie nicht denkt und fühlt wie ein Mensch, aber wer ist sich da schon so sicher? In parallelen Erzählsträngen berichtet der Erzähler, wie sein eigener Bruder einst als Bub vom Großvater beinahe totgeschlagen wurde. Wie seine Kinder einen Tag im Monat Eltern spielen dürfen und wie er beschließt, „mir nie wieder anzumaßen, ich sei etwas Besseres als ein anderes Lebewesen auf dieser Welt“. Dabei spinnt er einen feinen Faden vom Autobiografischen hin ins Surreale.
Söllner greift in „Bloß a Gschicht“ niemand an. „Nur die Utopie, die Idee von einem anderen Leben macht frei“, sagt er. Bei aller Ungekünsteltheit von Söllners Vortrag, dem alttestamentarischen Sog seiner Bilderwelt, der zärtlich-brutalen Wortwahl – „Bloß a Gschicht“ ist keine platte Bekehrungsfibel. Sowohl im bayerischen Originaltext wie in Franz Doblers Übertragung ins Hochdeutsche bleibt letztendlich: eine Menge Raum. Raum, die eigenen, überfälligen Abschiede mitzudenken. Raum, die Menschen in ihrer ganzen Widersprüchlichkeit und Gefallenheit trotzdem zu lieben. Und sich Zeit zu nehmen für das, was wirk-1 ich zählt. „Ich habe das alles langsam geschrieben“, schickt Söllner seinem Buch voraus. „Deshalb sollte man es auch langsam lesen.“

JONATHAN FISCHER

Artikel in der Süddeutschen

Keine Chance auf die „Beerhall of Fame“

Wie sich der Sänger Hans Söllner erfolgreich dagegen wehrt, den Lodenmantel der Geschichte anzuziehen

Im groben Ganzen sind die Bayern ja ein grausliges Durcheinander. Aus Böhmen sind sie vielleicht eingewandert, die Bajuwaren, also wahrscheinlich eigentlich Mongolen oder Hunnen: dann die Römer mit ihrer halbscharigen Kolonialisierung bis zum Limes hin mit gelegentlichen Ausfällen gegen die räuberischen Stämme im herzynischen Wald und allfälligem Fraternisieren mit dem Marketenderinnenvolk; Merowinger, Hunnen und zuletzt vor zweihundert Jahren noch die napoleonischen Landsknechte: Das konnte ja nichts Ganzes und nichts Halbes, schon gar nichts Rechtes werden.

Außer Bayern. Freistaat Bayern.

Der wird seit nun schon unvordenklichen Zeiten von einer zu allem entschlossenen Kadergruppe beherrscht, die allem Bayerischen wohl will und alles Fremde sehr fremd und sehr abscheulich findet. Ganz besonders fremd ist dieser Nomenklatura ein Volkssänger, der im Reichenhallischen zu Hause ist, ausnahmsweise nicht dem Abfahrtslauf im Auftrag der Fa. Milka obliegt und dem auch sonst nichts Fruchtzwergiges eigen ist. Hans Söllner heißt der Lump und ist bisher erfolgreich der Gefahr entgangen, in einer wie immer gearteten bayerischen Beerhall of Fame aufgenommen zu werden.

Nicht schlechter als Dylan

Hans Söllner singt vor Publikum gern fröhliche Lieder. Manchmal begleitet er sich auf der Mundharmonika und phrasiert nicht schlechter als Bob Dylan oder klampft auf der Gitarre dazu wie Väterchen Franz in seinen besten Zeiten. Am besten ist Söllner aber mit seiner Stimme. Er singt nicht bloß (das kann Dylan auch einigermaßen), er versteht sich nicht bloß auf den Vortrag (Degenhardt!), er umschmeichelt und karessiert und liebkost und herzt die Sprache wie niemand sonst auf weiter grüner Flur. Einen Haken – muss man es sagen? – hat die Sache natürlich. Gedichte sind nicht zu übersetzen, und Hans Söllner ist nichts ohne seinen Ur-Laut, den heimatlichen Dialekt.
Außer dem Englischen gibt es bekanntlich nur noch eine Sprache, die sich zum Rappen eignet, und zwar, ja, genau: das Bayerische. Volks- und Brauchtumshauptdarsteller, die kleidsam Dirndl ausfüllen oder karlmoikschen Loden auftragen, wissen natürlich nichts davon. Wie sollten sie auch, wo in Bayern die Tradition der Volkssänger vom Weiß Ferdl und Karl Valentin bis zum Roider Jackl längst schnöd abgetrieben wurde. Wahrscheinlich hatte man doch zu große Angst, der Feriengast, der Sommerfrischler, der „Fremde“, der urlaubende Preuße könnte am Ende verstehen, worum es geht, nämlich vielleicht sogar gegen ihn. Das mag er nicht, der Preuße, und dann käme er womöglich nicht wieder, und wir könnten dann schauen, wo wir bleiben! Anscheinend hat es sich aber hier im Land noch immer nicht herumgesprochen, dass die prospektiven Touristen gleich in die Karibik fliegen und sich lieber der Sonne als den g’scherten Sprüchen im Bayerischen auszusetzen. So lebt Söllner weiter damit, in seiner wahren Größe unbekannt zu bleiben, und er lebt ganz gut damit.
Söllner, das muss man an dieser Stelle vielleicht ins Feuilleton hinüber sagen, Söllner ist kein Feingeist. Ihm ist nichts Niedriges fremd. Wenn er auf der Bühne steht, spricht er geläufig vom „Scheißen“, „Wichsen“, „Ficken“ und allem, was man halt so tut den lieben langen Tag. Noch lieber aber als den Einsatz von lutherdeutschen Begriffen frönt er einem etwas aus der Mode gekommenen Hobby: Er beleidigt ständig fremde Menschen. Manchmal begnügt er sich mit pauschalen Kosenamen für die Polizei, manchmal geht er gleich zum Chef und dem bayerischen Innenminister an die Ehre.
Günter Beckstein gehört offenbar zu den treuesten Hörern Söllners. Der Mann hat Geschmack. Leider hindern ihn seine vielfältigen Abschiebungs- und Abschreckungspflichten daran, jedes der Konzerte Söllners persönlich zu besuchen. Deshalb greift er gern auf Außendienstmitarbeiter zurück, die sich unauffällig unters Publikum mischen und zaghaft mitjohlen, wenn Söllner den Beckstein mal wieder mit Eigenschaftswörtern aus dem Fäkalbereich bedenkt. Hans Söllner pflanzt Marihuana an, verabschiedet sich bei seinen Konzerten gern mit dem Hinweis in die Pause, dass er jetzt eine rauchen müsse, aber erstaunlicherweise hat er sich seinen Verstand nicht aus der Birne gekifft. Manchmal nämlich kann er todernst werden. „Welchen Anspruch auf Ehre hat ein 60-jähriger Mann, der es nötig hat, als Innenminister über Monate hinweg einen 14-jährigen Deutschen mit türkischem Namen über Medien und mit Polizei zu verfolgen und in das Land auszuweisen, das nicht seine Heimat ist?“ So was kostet Geld; 140 000 Mark wegen „Ehrbeleidigung hochgestellter Persönlichkeiten“. Komisch, wo dieses Überangebot an Ehre neuerdings herkommt? „Wo war meine Ehre, als acht Polizisten bei einer Nacht-und-Nebel-Aktion mein Auto durchsuchten, mein Hinterteil und mein Geschlechtsteil anfassten, mich eineinhalb Stunden belästigten, mich mit Waffen bedrohten und nicht einmal ein Wort der Entschuldigung über ihre Lippen kam, als sie nichts bei mir fanden?“

Kiffen statt Kirche

Ja, es ist wahr, Söllner ist ein Grobian. Als Schwiegersohn ist jeder Schalterbeamte der HypoVereinsbank besser geeignet als dieser kiffende, fluchende, Staat, Kirche, Religion und den gehobenen Geschmack beleidigende und dann auch noch das Hochdeutsche weiträumig umfahrende Rastafari. Als der Bayer Peter Sloterdijk noch ein Philosoph war und nicht Industrieberater, hat er die kynischen Tugenden des Diogenes als Hilfsmittel gegen die Mächtigen propagiert. Hans Söllner ist der Einzige, der sie praktiziert, der Einzige, der sich noch wehrt. In Bayern und erst recht sonst haben wir keinen Besseren. Habe die Ehre, Herr Söllner.

(WILLI WINKLER – Süddeutsche Zeitung)

Interview mit Hans in der Abendzeitung, 12.07.01

Der Rasta aus Bad Reichenhall

Hans Söllner ist mehr als nur ein wütender Sanges-Rebell. Auf seinem neuen Album „Babylon“ spielt er den schönsten Reggae, der je aus Bayern kam.

Hans Söllner, Reggae Sänger aus Bad reichenhall, stand in den vergangenen Monaten öfter vor Gericht als auf der Bühne – weil er den bayerischen Innenminister Beckstein beleidigt haben soll, Marihuana zu religiösen Zwecken anbauen wollte und seinen Hintern bei einem Konzert entblößte. Nun meldet er sich mit einem wunderbar groovendem Reggae Album zurück: Auf „Babylon“ (Trikont US-0290) singt Söllner entspannt wie nie zuvor.

AZ: Herr Söllner, stehen sie lieber vor Gericht als auf der Bühne?
Hans Söllner: Ich hab so das Gefühl, dass bei mir das eine mit dem anderen verbunden ist. Ich bin ein schimpfender Sänger. Wer Freiheit auf der Bühne will, bekommt automatisch Ärger mit dem Gesetz.

Sie hören sich sehr wütend an, aber ihr neues Album ist unglaublich entspannt. Wie haben sie das geschafft?
Ich bin froh, dass ich diese Ausdrucksmöglichkeit gefunden habe. Im Reggae geht es immer um Unterdrückung, Sklaverei, Freiheit. Ich bin ein gläubiger Rasta. Alles was ein Rasta tut, mache ich auch: vegetarisch und friedlich leben, nur mit Worten kämpfen. Ich bete zu Gott, ich bin ein gläubiger Mensch. Das ist eine religiöse, ernste Angelegenheit. Reggae ist die beste Ausdrucksform für meine Botschaften. Ich hab auch keine lustigen Texte für den Reggae.

Wie sind sie auf den Reggae gekommen?
Ich hatte mal eine Kassette von Bob Marley. Daraufhin hab ich mich kundig gemacht was Reggae ist, was Rauchen ist. Ich bin 15 mal nach Jamaica gefahren, und habe dort drei Lehrmeister gefunden, alte schwarze Rasta. Bei ihnen hab ich gelernt eine Zufriedenheit zu erlangen, die fast schon buddhistisch ist. Auf der Bühne mache ich einen Soloteil, in dem ich schreie und schimpfe, und dann gehe ich zurück zur Band, spiele Reggae, und bin ausgeglichen und glücklich.

Ist Bayern reif für Reggae?
Bayern hat den Reggae bitter nötig. Aber ich kopier keine jamaikanische Musik, sondern ich mach meinen eigenen Reggae. Ich bin mein eigener Schwarzer. Die bayerische Staatsregierung behandelt mich ohnehin, als wäre ich ein illegaler Schwarzer.

Auf dem neuen Album vergleichen sie den bayerischen Innenminister Beckstein mit Haider, Hitler und Himmler. Rechnen sie da nicht mit neuem Ärger?
Das wird sicher wieder Ärger geben. Ich kann das nicht steuern, weil das in mir drin ist. Was meinen sie, wie ich mit selbst gekämpft habe, ob ich das drauftu auf die CD!

Warum machen sie es dann trotzdem?

Weil das Freiheit ist. Die Bühne ist mein Möglichkeit mit dem Beckstein zu reden. Zahl ich eben wieder 75 000 Mark. Das Geld hab ich zwar nicht, aber wenn sie mich irdisch bestrafen wollen – bittesehr! Mein Rasta-Glauben hilft mir, das ganze Drumherum mit den Hausdurchsuchungen durchzustehen.

Wofür mussten sie ihre letzte Geldstrafe zahlen?
Als ich bei einem Konzert die Zustände in Hoyerswerda beklagt habe, bin ich am Abend von acht Polizisten eineinhalb Sunden lang nach Marihuana gefilzt worden. Den Bus haben sie ausgeräumt, meine Geschlechtsteile angefasst. Am nächsten Tag bin ich auf die Bühne und hab meine Hose runtergezogen, und hab gesagt das sei mein Gruß an das Drogendezernat Immenstadt. Dann haben mich die Polizisten verklagt.

Für ihre letzten Konzerte wurden sie oft verrissen. Wie gehen sie damit um?
Auf meinen Konzerten kann alles passieren, weil ich ohne Plan auf die Bühne gehe. Da ist dann auch mal ein schlechter Abend dabei. Ich bin kein professioneller Alleinunterhalter, der für 40 Mark einen netten Abend bietet. Du kriegst mich nicht so, wie du mich gerne hättest. Du kriegst mich so, wie ich an dem Tag bin. Und wenn du was damit anfangen kannst, bist du sauglücklich mit mir, und wenn du nix damit anfangen kannst, hast du ein Leben lang Probleme mit mir.

AZ/Kultur Do.12.07.01 – Bettina Poeschel

 

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