Vormittag, 21.12.00, Bundesverwaltungsgericht, Berlin

Hans Söllner hat beantragt, als Rasta, aus religiösen Gründen jährlich eine handvoll Hanfpflanzen anbauen zu dürfen. Er sehe sich damit nicht nur in der Tradition bayrischer Großväter, Bauern und Handwerker, die früher ihr „Knasta“ geraucht hätten. Denn in freier Ausübung seiner Religion als Rasta brauche er den Rauch des Hanfs auch, um den Geist zu öffnen, zu Weisheit und Frieden zu gelangen, für Ruhe und tiefe Gespräche. „Ich will gläubig sein dürfen“ sagt Hans Söllner“ Ich bin Familienvater und will mich nicht auf Bahnhofklos rumsuhlen müssen und dort Marihuana kaufen“.

Wie zu erwarten, hat das oberste Verwaltungsgericht ihm den Anbau nicht gestattet. Es ist nicht mutig genug gewesen, die allseits geforderte Neubewertung von Hanf auch öffentlich und rechtswirksam auszusprechen. Selbst der Prozessgegner von Hans Söllner, der Oberbundesanwalt, hatte zum Prozeß erklärt „althergebrachte Fehleinschätzungen über das Abhängigkeitspotential oder die Schrittmacherfunktion für härtere Drogen müssten korrigiert werden. Die bisher überwiegend angenommenen Wirkungen und Konsequenzen des Cannabiskonsums hätten sich als weniger dramatisch und gefährlich erwiesen.
Warum dann so feige, meine Herren Richter ?!

Vor allem wo das Bundesverwaltungsgericht in seinem Urteil anerkannte, „dass Anbau und Konsum religiöse Handlungen darstellen. Das ist die Überraschung an der Entscheidung“ (Tagesspiegel, Berlin). Der nächste Schritt von Hans Söllner geht auch in dieser Frage zum Bundesverfassungsgericht.

 

Spätnachmittag, Bad Reichenhall, Polizei, 21.12.00, 18Uhr

Hans Söllner zeigt sich selbst an mit 0,7 g selbstangebautem Hanf wegen Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz. So ist er halt:auf der einen Seite Appell an die Gerechtigkeit, auf der anderen Seite eigener Einsatz als Bürger mit dem Recht auf „zivilen Ungehorsam“.

 

Bad Reichenhall, 22.12.00

Das Haus von Hans Söllner. Etwa um 14 Uhr. Sechs Beamte dringen in sein Haus ein und suchen: natürlich Hanf. Einige Stunden Hausdurchsuchung, dann Mitnahme zur „Identifizierung“ bei der Polizei. Gefunden wurden ca. 6 g Hanf und ca. 1,2 kg THC-freie Hanfblätter (die man legal überall kaufen kann) Vor allem dieser „Fund“ machte die Polizei kurzzeitig heiß auf die Möglichkeit ihn verhaften zu können. Das wird Richter Hippler vom Amtsgericht Traunstein schwer enttäuscht haben: welche Vision, endlich den Söllner inhaftieren zu können. Denn Richter Hiptler ist nicht nur für diesen Hausdurchsuchungsbefehl zuständig, sondern bekanntermassen auch verantwortlich für seinen heroischen, gnadenlosen Kampf im Landkreis gegen jugendliche Kleinkiffer. Damit die auch ihre gerechte Strafe kriegen, damit Eltern, Lehrherrn und Schulbehörden Bescheid wissen, damit auch alles getan ist,um den Jungen ihr Leben schwer zu machen. Wie sagten noch die Richter am Tag zuvor in Berlin: „Nach der Rechtssprechung des Bundesverfassungsgerichts wird ja nicht jeder Verstoß gegen das Betäubungsmittelgesetz strafrechtlich verfolgt. Auch der Kläger (Söllner) hat nicht angeführt, dass ihm eine Bestrafung droht…“

Aber diese Richter kennen das politische Milieu in Bayern nicht, das mit der Alkoholindustrie und den BSE-produzierenden Fleisch- und Futtermittelindustriellen verbandelt ist, aber immer bereit ist, gegen Abweichler, Eigensinnige, Machtlose, Fremde und Junge die autoritäre Keule zu schwingen.

Da ist es dann auch kein Wunder, daß sich immer wieder einer findet wie der Richter Hitpler, der seine Bestrafungsphantasien ausleben darf: bereits am 19.12. hatte er den Hausdurchsuchungsbefehl für Hans Söllner unterschrieben, 2 Tage bevor ein unabhängiges Gericht in Berlin dann entscheiden sollte, ob er darf oder nicht !

Das fördert gewiß nicht das Vertrauen der Leute in die Gerechtigkeit staatlicher Institutionen, stärkt aber sicher den Bazillus der Aufsässigkeit gegen falsche Autoritäten.