Michael Scheiner in der MZ zum Konzert in Regensburg

Der „Hasch-Rebell“ Hans Söllner wettert im Antoniussaal wie eh und je gegen Staatsgewalt und beschwört die andächtige Zuhörerschaft: „Traut´s eich!“

Regensburg. Vor zwei Jahrhunderten wäre er ausgewandert. Nach Amerika, in den Wilden Westen, wo bockige Individualisten und Gegner staatlicher Bevormundung wie Hans Söllner ihre Träume von Freiheit, Autonomie und Gerechtigkeit haben ausleben können. Vielleicht sind sie dabei verreckt, umgekommen oder an ihren Träumen zugrunde gegangen – aber es waren ihre Träume, ihre Entscheidungen, ihre Enttäuschungen. Und davon hat der mittlerweile 58-jährige Liedermacher, Songpoet und Gitarreklampfer auch im fortgeschrittenen Alter noch eine ganze Menge.

Wo andere milder werden in ihren Ansichten, vorsichtiger und weiser, mehr abwägen, bedenken und dann möglicherweise zu ausgewogeneren Haltungen tendieren, ist der Bad Reichenhaller „Hasch-Rebell“ unnachgiebig festbetoniert. Keinen Fußbreit, keinen Millimeter „denen da oben“, den Politikern, Staatsmännern und gierigen Wirtschaftslenkern, die uns kaputtmachen, zerstören und gängeln. Für die hält Söllner mehr Schimpfworte und Verachtung parat, als auf jede bayerische oder fremde Kuhhaut gehen.

Im voll besetzten Antoniussaal grantelte der aufrechte Oberbayer halb belustigt über den eifrigen Beifall, der ihm entgegenschlägt, als er die Bühne betritt. „In der letzten Zeit fallt mir auf, dass die Leute schon klatschen, wenn i aussi kumm…, dabei hob i no koan Ton g’sagt!“ Dann könne er ja wieder gehen, greint Söllner kichernd, ohne Anstalten zu machen, die Drohung auch umzusetzen

Die erste halbe Stunde gerät zu einem verbalen Rundumschlag aufs Landratsamt, das seinen Führerschein einziehen will, auf Politiker und Facebooknutzer, die ihn wüst beschimpfen. Für die User im Netz kann er sich sogar erwärmen. Statt ihren Frust zu schlucken und neurotisch zu werden, könnten sie sich austoben. Wenig Verständnis bringt er für das Landratsamt auf: Der Behörde bietet er als Ersatz für den Führerschein, den er wegen seines Marihuanakonsums – „selbst angebaut, alles bio!“ – abgeben soll, seine Spülmaschine an.

Zwischen einzelnen Liedern und langen, manchmal langatmigen Auslassungen beschwört Hans Söllner seine andächtige Zuhörerschaft immer wieder sich „heute Nacht“ zu trauen: „Sagt’s ,Ich liebe dich‘ zu dem Polizisten, sagt’s des!“ Jeder neue Appell wird mit freudigem Beifall, Johlen und Zustimmung begrüßt. Man spürt beinahe das innere Aufbäumen im Saal, den verzweifelten Herzenswunsch, dem unbeugsamen Vorbild auf der Bühne nachzueifern, der auf diese Weise einen Richter umarmt und außer Gefecht gesetzt hat. Gleichzeitig weiß jeder, dass diese Sehnsucht nach der rebellischen Geste ungestillt bleiben wird. Keiner wird im Zickzack nach Hause fahren, um die Aufmerksamkeit der Polizei auf sich zu lenken und sie an der Nase herumzuführen.

Der Grantler und Freiheitskämpfer kämpft, stellvertretend für seine Anhänger und Fans, seit mehr als 30 Jahren gegen Staatsgewalt – mit bissigen Liedern, streitbaren Attacken und Aktionen jenseits von Legalität, die er aber für sein ureigenstes, persönliches Recht hält, wie das Rauchen von Cannabisprodukten. Betrachtet man die Entwicklung im Land der verbissensten Drogenbekämpfer, den USA, wo in Colorado zu Jahresbeginn der Verkauf freigegeben worden ist, kann man schon ins Nachdenken kommen, ob der „Hasch-Rebell“ denn so verkehrt liegt. Seine Inszenierung als widerständiger Dissident und stolzer Gerechtigkeitsapostel hat Söllner im Laufe der Jahre schon viel Geld in Form von Strafen gekostet. Eigentlich hätte er dafür längst den höchsten Bayerischen Verdienstorden verdient, als „Anerkennung für hervorragende Verdienste um das bayerische Volk“, könnte man denken. Verkörpert Hans Söllner doch wie sonst kaum einer im Freistaat urbayerische Tugenden: Er lässt sich bis heute nicht unterkriegen, ist unangepasst, schimpft und grantelt mit Genuss, steht unbeugsam für seine Meinung(en) ein. Und er verteidigt sein Recht auf Unangepasstheit mit Liedern wie „SoSoSo“, dem „Lied für Joschka Fischer“ („der größte Verräter in der deutschen Nachkriegsgeschichte“) und dem deftigen „A Drecksau Is A Drecksau“.

Das ironische Sehnsuchtslied „Mei Voda (hot an Marihuanabaum)“ gerät als Zugabe zur stehend mitgesungenen Mitklatschhymne und damit in gefährliche Nähe zur Verehrung a la Helene Fischer.

Schade nur, dass Hans Söllner solo unterwegs war, die beiden neuen mit seiner Band „Bayaman Sissdem“ eingespielten Alben „Mei Zuastand 1 + 2“ geben endlich auch musikalisch mehr her, als das bisschen einfache Geklampfe mit zwei Akkorden.