Zeugenvernehmung

Kriminalpolizeiinspektion
87439 Kempten,19.02.96
Kempten

[…]

Die nachgenannte Person erscheint auf Vorladung und erklärt:

2.    Zur Sache:

Vorbemerkung:
„Ich bin seit November 1994 als Polizeivollzugsbeamtin beim Einsatzzug der Polizeidirektion Kempten tätig.
Am Samstag, dem 27.01.1996, war ich in Immenstadt bei einem Konzert eingesetzt. In der Stadthalle am Hofgarten gab der Sän¬ger „SÖLLNER“ ein Konzert.
Ich trug Zivilkleidung und hatte den Auftrag, die Giftlerszene zu beobachten. Bei den sogenannten „SÖLLNER-Konzerten“ kommt es aufgrund polizeilicher Erfahrungen häufig zu Rauschgiftkonsum.
Der Sänger „SÖLLNER“ ist ebenfalls wegen Rauschgiftkonsums po¬lizeilich auffällig.“

FRAGE:
Wo hielten Sie sich während der Veranstaltung auf?
ANTWORT:
Ich hielt mich im Veranstaltungssaal auf. Zuerst war ich auf dem Balkon. Später jedoch ging ich runter in den Saal und hielt mich auf der ‚Seite aber ziemlich in der Mitte des Veranstal¬tungssaals auf.

FRAGE:
Wo befand sich der Sänger während der Veranstaltung?
ANTWORT:
Der Sänger befand sich oben auf der Bühne.

FRAGE:
Welches Instrument spielte der Sänger?
ANTWORT:
„SÖLLNER“ spielte Gitarre und Mundharmonika. Die Mundharmonika benutzte er aber erst, am Ende seiner Darbietung, ca. in den letzten zehn Minuten.

FRAGE:
Wurde „SÖLLNER“ von anderen Musikern begleitet?

ANTWORT:
Nein, „SÖLLNER“ war Alleindarsteller.

FRAGE:
Wurde der Ton, also der Gesang und die Instrumentenmusik mit¬tels technischer Einrichtung übertragen?
ANTWORT:
Ja, der Ton wurde mittels Mikrophon und Lautsprecherboxen über¬tragen.

FRAGE:
Wie war die Qualität der Tonübertragung?
ANTWORT:
Der Ton war gut und deutlich hörbar.

FRAGE:
Wieviel Zuschauer befanden sich ungefähr in diesem Saal?
ANTWORT:
Ich schätze, daß es an die 1300 Zuschauern war.

FRAGE:
Wie hoch war der Lärmpegel durch die Zuschauer?
ANTWORT:
Der Sänger ist in gewisser Weise eine charismatische Erschei
nung. Aufgrund seiner Liedertexte, die improvisiert dargestellt wurden, erzeugt er beim Zuschauer eine große Spannung. Deshalb verhielt sich das Publikum sehr still. Es war ganz einfach neu¬gierig auf die dargebotenen Texte.

FRAGE:
Welcher Art sind die Liedertexte?
ANTWORT:
Seine Liedertexte sind aufreizend, provozierend und teilweise satierisch. Er nimmt mit den Texten Stellung zu Themen der ak¬tuellen Politik und zu gesellschaftlichen Entwicklungen.

FRAGE:
Wann und in welcher Situation ist Ihnen eine besonders krasse Bemerkung aufgefallqn?
ANTWORT:
Als besonders kraß empfand ich eine Liedpassage zum Bundeskanz¬ler KOHL. Er sagte wörtlich: „Kohl ist ein Mörder“. Diese Pas¬sage wurde von ihm gesprochen. Diesen Ausruf brachte er in Ver¬bindung mit dem Besuch des chinesischen Staatsratsvorsitzenden Li Peng. Der Ausspruch: „Kohl ist ein Mörder“, ist tatsächlich laut und deutlich gefallen.

FRAGE:
Wie war die Reaktion auf diesen Ausspruch?
ANTWORT:
Das Publikum hat begeistert geklatscht.

FRAGE:
Welche Hetzreden hat „SÖLLNER“ sonst noch geführt?
ANTWORT:
Mich hat ein Sprechtext empört, weil er eben meine eigene Be¬rufsgruppe betraf. Er sagte sinngemäß:
„Ein Baby wird vergewaltigt, die Polizei fährt vorbei. Ein Asy¬lant wird von Skins zu Brei geprügelt, die Polizei fährt vor¬bei. Er selber parkt in München im Parkverbot, da kommt die Po¬lizei und kassiert 30 Mark ab.“
Daraufhin tosender Beifall des Publikums.
Weiterhin forderte er zum. Gebrauch von Rauschgift a,.jf, aller¬dings wies er immer darauf hin, daß es nur eine geringe Menge •sein darf. Das kam ungefähr so heraus, er selber gab an, eine rauchen zu wollen, und forderte dabei die anderen auf, selber eine geringe Menge zu sich zu nehmen,
„Kommt’s, geht’s raus, raucht’s eine, aber nur eine geringe Menge“.
Das gab ich auch meinem Gruppenführer über Funk durch
Weil ich unerkannt in Zivil eingesetzt worden war, stellte ich „SÖLLNER“ am Ende des Konzertes selber zur Rede und fragte ihn, warum er so einen „Schmarren“ erzählt. Daraufhin entgegnete er: „Warum, ich war bei allem dabei“.
Dann gab er mir ein Käsebrot und sagte ich solle verschwinden.
Die konkrete Straftat wurde ihm von mir zum damaligen Zeitpunkt nicht vorgehalten.
Weitere Angaben zum Sachverhalt kann ich nicht machen.“
Geschlopssen:        Selbst gelesen,       genehmigt und unterzeichnet:

[…]