Der Rasta aus Bad Reichenhall

Hans Söllner ist mehr als nur ein wütender Sanges-Rebell. Auf seinem neuen Album „Babylon“ spielt er den schönsten Reggae, der je aus Bayern kam.

Hans Söllner, Reggae Sänger aus Bad reichenhall, stand in den vergangenen Monaten öfter vor Gericht als auf der Bühne – weil er den bayerischen Innenminister Beckstein beleidigt haben soll, Marihuana zu religiösen Zwecken anbauen wollte und seinen Hintern bei einem Konzert entblößte. Nun meldet er sich mit einem wunderbar groovendem Reggae Album zurück: Auf „Babylon“ (Trikont US-0290) singt Söllner entspannt wie nie zuvor.

AZ: Herr Söllner, stehen sie lieber vor Gericht als auf der Bühne?
Hans Söllner: Ich hab so das Gefühl, dass bei mir das eine mit dem anderen verbunden ist. Ich bin ein schimpfender Sänger. Wer Freiheit auf der Bühne will, bekommt automatisch Ärger mit dem Gesetz.

Sie hören sich sehr wütend an, aber ihr neues Album ist unglaublich entspannt. Wie haben sie das geschafft?
Ich bin froh, dass ich diese Ausdrucksmöglichkeit gefunden habe. Im Reggae geht es immer um Unterdrückung, Sklaverei, Freiheit. Ich bin ein gläubiger Rasta. Alles was ein Rasta tut, mache ich auch: vegetarisch und friedlich leben, nur mit Worten kämpfen. Ich bete zu Gott, ich bin ein gläubiger Mensch. Das ist eine religiöse, ernste Angelegenheit. Reggae ist die beste Ausdrucksform für meine Botschaften. Ich hab auch keine lustigen Texte für den Reggae.

Wie sind sie auf den Reggae gekommen?
Ich hatte mal eine Kassette von Bob Marley. Daraufhin hab ich mich kundig gemacht was Reggae ist, was Rauchen ist. Ich bin 15 mal nach Jamaica gefahren, und habe dort drei Lehrmeister gefunden, alte schwarze Rasta. Bei ihnen hab ich gelernt eine Zufriedenheit zu erlangen, die fast schon buddhistisch ist. Auf der Bühne mache ich einen Soloteil, in dem ich schreie und schimpfe, und dann gehe ich zurück zur Band, spiele Reggae, und bin ausgeglichen und glücklich.

Ist Bayern reif für Reggae?
Bayern hat den Reggae bitter nötig. Aber ich kopier keine jamaikanische Musik, sondern ich mach meinen eigenen Reggae. Ich bin mein eigener Schwarzer. Die bayerische Staatsregierung behandelt mich ohnehin, als wäre ich ein illegaler Schwarzer.

Auf dem neuen Album vergleichen sie den bayerischen Innenminister Beckstein mit Haider, Hitler und Himmler. Rechnen sie da nicht mit neuem Ärger?
Das wird sicher wieder Ärger geben. Ich kann das nicht steuern, weil das in mir drin ist. Was meinen sie, wie ich mit selbst gekämpft habe, ob ich das drauftu auf die CD!

Warum machen sie es dann trotzdem?

Weil das Freiheit ist. Die Bühne ist mein Möglichkeit mit dem Beckstein zu reden. Zahl ich eben wieder 75 000 Mark. Das Geld hab ich zwar nicht, aber wenn sie mich irdisch bestrafen wollen – bittesehr! Mein Rasta-Glauben hilft mir, das ganze Drumherum mit den Hausdurchsuchungen durchzustehen.

Wofür mussten sie ihre letzte Geldstrafe zahlen?
Als ich bei einem Konzert die Zustände in Hoyerswerda beklagt habe, bin ich am Abend von acht Polizisten eineinhalb Sunden lang nach Marihuana gefilzt worden. Den Bus haben sie ausgeräumt, meine Geschlechtsteile angefasst. Am nächsten Tag bin ich auf die Bühne und hab meine Hose runtergezogen, und hab gesagt das sei mein Gruß an das Drogendezernat Immenstadt. Dann haben mich die Polizisten verklagt.

Für ihre letzten Konzerte wurden sie oft verrissen. Wie gehen sie damit um?
Auf meinen Konzerten kann alles passieren, weil ich ohne Plan auf die Bühne gehe. Da ist dann auch mal ein schlechter Abend dabei. Ich bin kein professioneller Alleinunterhalter, der für 40 Mark einen netten Abend bietet. Du kriegst mich nicht so, wie du mich gerne hättest. Du kriegst mich so, wie ich an dem Tag bin. Und wenn du was damit anfangen kannst, bist du sauglücklich mit mir, und wenn du nix damit anfangen kannst, hast du ein Leben lang Probleme mit mir.

AZ/Kultur Do.12.07.01 – Bettina Poeschel