Der Liedermacher Hans Söllner aus Bad Reichenhall überreichte bei seinem Prozess diese Woche in Traunstein Staatsanwalt Dr. Jürgen Zenkel und Vorsitzendem Richter Johann Dörr ein Präsent der besonderen Art, nämlich ein Kilogramm getrockneter Cannabisblätter. Aus dem etwas bröseligen Geschenk im braunen Papiersack, verstaut in einem Karton von der Größe einer Bananenschachtel, werden sich die Empfänger allerdings nicht – wie vom Angeklagten mit der Rastafrisur angeregt – „ein Teechen“ brauen. Die extra von Söllner für die Justiz erworbenen Hanfblätter werden stattdessen Beweisstück in einem neuen Ermittlungsverfahren – gegen die Vertreiberfirma in Wiesenheide im Kölner Raum.

Schon Ende 1999 hatte Söllner bei der Firma „Hanf und Natur“ zwei Kilogramm Cannabisblätter bestellt. Die Ware wurde ihm ohne weiteres geschickt – per Post und mit Rechnung über 127,10 Mark oder knapp 65 Euro. Ob sich die Firma strafbar gemacht hat, wird jetzt geprüft. Söllner jedenfalls hätte sich den Kauf besser versagen sollen. Dreimal bekam er deshalb inzwischen Ärger mit der Justiz. Der letzte Stand: Eine Geldstrafe von 3900 Euro vom Landgericht Traunstein. Söllner will nicht aufgeben und Revision einlegen zum Bayerischen Obersten Landgericht, wie er ankündigte.Seit 1990 ist der Liedermacher bekennender Rastafari, Anhänger einer seit etwa 1930 in Jamaica beheimateten, christlich orientierten Religionsgemeinschaft, die den Genuss von Marihuana, einem Hanfprodukt, bei rituellen Anlässen erlaubt. Aus dem „Kraut der Bibel“, das „Nahrung für das Gehirn“ sein soll, kochte auch er sich zu bestimmten Zeremonien den im Vergleich zu anderen Cannabisprodukten relativ wirkstoffarmen Tee.

Durch ein Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 21. Dezember 2000 gelangte Hans Söllner in Juristenkreisen „zu großer Berühmtheit“, wie Johann Dörr, Vorsitzender Richter der Vierten Traunsteiner Strafkammer, berichtete. Söllner brachte es immerhin auf eine Erwähnung in einem Kommentar zum Betäubungsmittelgesetz. Er hatte damals gefordert, wenige Cannabispflanzen für den Eigenverbrauch anbauen zu dürfen. Grundsätzlich darf Nutzhanf in der Bundesrepublik nur mit einer Ausnahmegenehmigung in landwirtschaftlichen Betrieben gezogen werden. Söllners Hauptargument war: Ein Verbot verstoße gegen sein Grundrecht auf freie Religionsausübung. Das hohe Gericht wies die Klage jedoch ab. Das Pflanzverbot schränke die Religionsfreiheit nur unwesentlich ein, hieß es im Urteil. Verfassungsbeschwerde legte der Liedermacher nicht ein. Seine Erklärung: „Dafür hatte ich kein Geld mehr.“Da er die Pflanzen also nicht selbst ziehen durfte, wählte er einen anderen Weg, um an Hanf für seinen Tee zu kommen. „Als Deutscher habe ich in einem deutschen Geschäft ganz legal eingekauft“, sagte er in Traunstein. Bei einer Durchsuchung“Legal eingekauft“im Dezember 2000 fanden die Ermittler in seiner Wohnung noch gut 1,2 der ursprünglich zwei Kilogramm Trockenblätter, dazu noch etwa sieben Gramm rauchbares „normales“ Marihuana. Das brachte dem 47-Jährigen eine Anzeige wegen unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln und einen Strafbefehl des Amtsgerichts Laufen über eine Geldstrafe von umgerechnet 3580 Euro ein. Das Amtsgericht verurteilte ihn auf seinen Einspruch hin am 13. November 2001 zu einer Geldstrafe von 3070 Euro. Im Urteil hieß es: „Wer sich Nutzhanf geben lässt oder erwirbt, macht sich strafbar – auch, wenn der Hanf aus erlaubtem Anbau stammt.“ Der Angeklagte, der einen Freispruch anstrebte, und die Staatsanwaltschaft, der die Strafe zu niedrig war, zogen in Berufung zum Landgericht Traunstein. Dem Staatsanwalt hatte zudem nicht gefallen, dass Söllner die Verhandlung in Laufen „für Werbezwecke missbraucht“ und sie als „eigene Veranstaltung“ mit Plakaten beworben hatte.
Ein Rechtsproblem des Traunsteiner Prozesses war, ob „Tee“ aus Cannabispflanzen unter das Betäubungsmittelgesetz fällt. Der Liedermacher hatte eine später eingeholte Zertifizierungsbescheinigung zum Nachweis der Legalität seines Kaufs vorgelegt. Nach Worten des Vorsitzenden Richters wird darin allerdings nur der „biologische Anbau“ bestätigt und nichts zur Legalität ausgesagt. Söllner fuhr fort: „Ich muss jetzt beweisen, dass das, was auf dem Tisch steht, legal ist. Es gibt den Hanf immer noch. Bestellen Sie ihn.“ Die Antwort Dörrs: „Einen Teufel werd ich tun.“ Die Reaktion Söllners: „Ich verrat‘ Sie nicht.“ Eine Sachverständige des Bayerischen Landeskriminalamtes attestierte, aus den getrockneten Hanfblättern könne ohne großen Aufwand und auch von Laien ein Extrakt mit höherem Wirkstoffgehalt hergestellt werden. Ein Missbrauch als Marihuana könne nicht ausgeschlossen wer-Religiöse Handlungden. „Derzeit gelten Hanftees als Betäubungsmittel“ – so das Resümee der Gutachterin. „Ich hab mir den Tee nicht gekauft, um mir vorsätzlich einen Rausch anzutrinken“, merkte Söllner an. Das restliche sichergestellte Rauschgift sei für den Eigenkonsum bestimmt gewesen, betonte er.

Und weiter: „Es wäre schön, Herr Richter, wenn Sie erlauben, dass ich mit RastafariKollegen ab und zu eine religiöse Handlung durchführe. Es wäre doch gut, solch kleine Mengen zu legalisieren – dann bräuchten Sie sich heute nicht mein Geschwafel anhören.“ Dazu der Vorsitzende Richter: „Es gibt Schlimmeres.“Stundenlang dauerte es, bis das Gericht ausreichende Kenntnis von den aktuellen wirtschaftlichen Verhältnissen des ohne Verteidiger angetretenen 47-Jährigen hatte. Er selbst wollte keine Auskunft geben. der vom Amtsgericht Laufen ausgesprochene Tagessatz für die Geldstafe von 200 Mark oder 102 Euro schien der Kammer wie dem Staatsanwalt zu niedrig.
Das Bayerische Oberste Landesgericht hatte in einem anderen Verfahren, in dem Söllner wegen siebenfacher Beleidigung in Kempten letztlich zu einer Geldstrafe von über 38000 Euro verurteilt wurde, einen Tagesverdienst von 255 Euro angenommen. Veröffentlichungen aus Söllners Homepage im Internet und beschlagnahmte Steuerbescheide wurden zum Beispiel herangezogen, um das Einkommen des fünffachen Vaters, der früher mal Koch und Kraftfahrzeugmechaniker mit jeweils abeschlossenen Lehren war, zu ermitteln. Im letzten Halbjahr etwa hat er rund 4000 CDs – die letzte heißt „Babylon“ – verkauft. In den Vorjahren gab er jährlich zwischen 40 und 80 Konzerte im In- und Ausland – mit fallender Tendenz. Söllner nannte als einen Grund: Die regelmäßige Durchsuchung von Konzertbesuchern durch die Polizei. Die Vierte Strafkammer errechnete schließlich ein Tageseinkommen von 130 Euro und kam so zu der Geldstrafe von 3900 Euro für die zwei angeklagten Drogendelikte.In seinem Plädoyer auf Freispruch sprach der 47-Jährige von einer „Verfolgungsjagd“ gegen sich, räumte aber auch ein, „zu weit gegangen zu sein“. Er wollte künftig mit der Justiz so wenig wie möglich zu tun haben. Staatsanwalt Dr. Jürgen Zenkel glaubte Söllner, dass er den Tee nicht wegen einer Rauschwirkung getrunken habe. Eine „abstrakte Gefährlichkeit“ durch den Hanftee bestehe dennoch. Und weiter: „Wenn der Angeklagte meint, als überzeugter Weltverbesserer und Robin Hood aus dem Berchtesgadener Land ein Verfahren anstrengen zu müssen, trifft auch ihn das Gesetz.“ Damit spielte Dr. Zenkel auf ein früheres Angebot an, das Verfahren einzustellen gegen Einziehung des restlichen Hanftees. Das hatte der Liedermacher abgelehnt. Die Lieferfirma „Hanf und Natur“ habe sich nicht legal verhalten, betonte Vorsitzender Richter Johann Dörr in der Urteilsbegründung. Und: Keine der gesetzlichen Ausnahmefälle für den Erwerb von Cannabispflanzen oder Pflanzenteilen treffe auf den 47-Jährigen zu. Die Frage sei: „Kann man davon ausgehen, dass etwas legal ist, wenn es im Laden verkauft wird?“

Ein Obergericht habe dazu festgestellt: „Man muss sich auch als Endabnehmer über die Legalität sorgfältig erkundigen.“

kd